Recht&Steuern Marz 2023

März | Nr. 1 2023

Lufthansa Ground Services Portugal

März | Nr. 1 2023 INHALTSVERZEICHNIS VORWORT GESELLSCHAFTSRECHT 5 | Portugal: Neue Förderungsregelung für Startups und Scaleups ERBRECHT 6 | Portugal: Nachfolgeplanung ARBEITSRECHT 7 | Portugal: Mobiles Arbeiten und das Recht auf Abschalten HANDELSRECHT 8 | Portugal: Die zunehmende Bedeutung von Wirtschaftskriminalität und die Relevanz der Allgemeinen Regelung zur Korruptionsprävention für den Alltag von Unternehmen - neue Vorschriften 10 | Portugal: Der Ausschluss von indirekten und immateriellen Schäden in Haftpflichtklauseln UMWELTRECHT 12 | Portugal: Vereinfachung des Umweltschutzes: das Motto für die Förderung von Projekten und Investitionen in Portugal COMPLIANCE 13 | Portugal: Verarbeitung personenbezogener Daten sorgt bei vielen Unternehmen für Verunsicherung - Der besondere Fall der Einwilligung KURZNACHRICHTEN 15 | Deutschland: Empfehlung statt Verpflichtung –vorzeitiges Enden der Corona Arbeitsschutzverordnung Neue Förderrichtlinien für klimafreundlichen Neubau Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtline 3

März | Nr. 1 2023 4 VORWORT Liebes Mitglied der AHK Portugal, liebe Leserinnen und Leser unseres Newsletters, motiviert und zuversichtlich starten wir nun im Jahr 2023 bereits zum vierten Mal unseren Newsletter “Recht undSteuern“. Mit diesem Kommunikationsmedium möchte die Deutsch-Portugiesische Industrie- und Handelskammer, mit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten verfassten kurzen und klaren Texten, Unternehmen über aktuelle Änderungen sowie alltägliche rechtliche Themen auf dem Laufenden halten. Es ist unser Ziel, dabei ein breites Themenspektrum abzudecken. Unser Newsletter enthält beispielsweise Beiträge aus den Bereichen Arbeits-, Gesellschafts- und Steuerrecht, Compliance, geistiges Eigentum sowie Öffentliches Recht. Damit sowohl deutsche als auch portugiesische Leser und Leserinnen von dem Newsletter profitieren können, steht er weiterhin in beiden Sprachen zur Verfügung. Die neuen Teilnehmer heißen wir herzlichst willkommen. Wir freuen uns sehr, in diesem Jahr auf neue Zusammenarbeit blicken zu können. Ein großer Dank gebührt zudem den Kanzleien der letzten Jahre, mit deren Teilnahme wir auch dieses Jahr rechnen können. Sollten Sie Anregungen zu unserem Newsletter haben oder Rückfragen zu einem der Artikel, setzen Sie sich bitte gern mit uns in Verbindung. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen! Thorsten Kötschau Geschäftsführendes Vorstandsmitglied thorstenkoetschau@ccilaportugal.com Caroline Cöster Domingues Leiterin Recht- und Steuerabteilung carolinedomingues@ccilaportugal.com

März | Nr. 1 2023 GESELLSCHAFTSRECHT Portugal Neue Förderungsregelung für Startups und Scaleups Am vergangenen 22.12.2022 legte die Regierung dem portugiesischen Parlament den Gesetzvorschlag Nr. 56/XV (der "Vorschlag") vor, in der Zwischenzeit durch allgemeine Abstimmung genehmigt, der darauf abzielt, auf Grundlage des EU Startup Nations Standard of Excellence1, die allgemeinen Regeln für die Förderung des Ökosystems für Startups und Scaleups in Portugal festzusetzen und die Gründung und Entwicklung, durch Annahme bestimmter rechtlicher Definitionen, Zertifizierungsmechanismen und besonderer Steuerregelungen, der so definierten Unternehmen zu fördern. Der Vorschlag macht die Merkmale einer Startup von der Überprüfung einer Reihe von Bedingungen durch eine juristische Person abhängig, insbesondere in Bezug auf die Anzahl der Mitarbeiter, den Umsatz und auch das Potenzial ihres Geschäftsplan. Die Überprüfung einige dieser Anforderungen (wie z. B. das "hohe Wachstumspotenzial") wurde nicht zwingend vorgeschrieben, was den Vorschlag aus rechtsvergleichender Sicht einzigartig macht und zu einer Divergenz mit der Ministererklärung, die ihn motiviert, führt. Neben dem Konzept des Startups wurde auch das Konzept des Scaleups eingeführt, das sich nur durch seine operativen Merkmale (nämlich eine höhere Anzahl von Tätigkeitsjahren) von dem anderen unterscheidet. In steuerlicher Hinsicht sieht der Vorschlag die Herstellung einer besonderen Steuerregelung für Unternehmen vor, die als Startups klassifiziert werden und sich für eine Vergütungsstrategie auf Grundlage von Aktienoptionsplänen (stock-options plan) entscheiden, und zwar die dem Aufschub des Zeitpunkts der Besteuerung dieser Gewinne, vom Zeitpunkt der Ausübung der Option (Vesting) - wie in der zur Zeit geltenden Regelung vorgesehen - bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Verkauf der auf diese Weise erworbenen Beteiligungen oder, wenn dies zuerst geschieht, bis zum Verlust des Status der Wohnsitz in Portugal, sofern in jeden Fall diese für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr beibehaltet wurden. Diese Regelung sieht auch vor, dass zum Zeitpunkt der Besteuerung nur 50 % der Gewinne aus den Beteiligungen berücksichtigt werden, die dann einem Steuersatz von 28 % für die Einkommensteuer (IRS) unterliegen, immer wenn nachgewiesen wird, dass der Stock Option Plan von einer Einrichtung aufgelegt wurde, die im Jahr vor der Gewährung der Beteiligungen an den Arbeitnehmer als Startup anerkannt wurde und eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt: (i) sie ist als Kleinst-, Klein- oder Mittleres Unternehmen klassifiziert; (ii) sie entwickelt ihre Tätigkeit im Rahmen der Innovation. Zum Zeitpunkt dem Verkauf der Beteiligungen wird der Gewinn durch den positiven Unterschied zwischen dem Verkaufswert und dem Ausübungspreis der Option oder Recht berechnet; im Fall der Inhaber der Beteiligungen den Status des Wohnsitzes in Portugal verliert, wird der Gewinn durch den positiven Unterschied zwischen dem Marktwert (zu dieser Zeit) und dem Ausübungspreis der Option oder Recht berechnet (exit tax). Erreichbar unter diesem Link. 5 Hugo Teixeira Partner hugo.teixeira@abreu advogados.com Diogo Pessanha Professional Partner diogo.pessanha@abreua dvogados.com Catarina Mata Trainee catarina.mata@abreua dvogados.com

März | Nr. 1 2023 ERBRECHT Portugal Nachfolgeplanung Portugal steht weiterhin noch im Mittelpunkt Europas Attraktivität, sei es aufgrund des milden Klimas, der leichten Mobilität zwischen Städten und Ländern, der erschwinglichen Lebenshaltungskosten und des Schutzes des Familienvermögens durch eine Reihe von Vorschriften, die die Übertragung von Eigentum im Todesfall regeln. Die sogenannte "Europäische Erbrechtsverordnung", Verordnung (EU) 650/2012, hat den Bürgern im europäischen Rechtsraum die Möglichkeit eröffnet, ihren Nachlass im Voraus zu regeln und so die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer, der dem Verstorbenen nahestehenden Personen und der Nachlassgläubiger zu gewährleisten. Die europäischen Bürger können zwischen dem Recht einer ihrer Staatsangehörigkeiten oder dem Recht ihres Wohnsitzes als dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Recht wählen. Um dieses Wahlrecht ausüben zu können, müssen sich die Bürger darüber informieren, • wer die gesetzlich vorgeschriebenen Erben sind; • über welchen Anteil sie frei verfügen können (für Personen, die ihnen nicht unmittelbar und kraft Gesetzes nachfolgen); •wie das Eigentum (Rechte und Pflichten) auf diese Erben übergeht; •die Möglichkeit, einen Erben zu enterben; • die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass das Nachlassvermögen nicht für die Schulden der Erben haftet; •die Bedingungen für die Annahme oder Ausschlagung des Nachlasses; und •wie das Vermögen unter den Erben aufgeteilt wird. Das anwendbare Erbrecht kann sich nach dem letzten Wohnsitz des Erblassers richten oder durch ein entsprechendes öffentliches Testament bestimmt werden. Durch ein Testament kann der Eigentümer der Immobilie innerhalb der gesetzlichen Grenzen des jeweiligen Staates bestimmen, wer seine Erben sein sollen. In Portugal sind die unmittelbarsten Verwandten die Begünstigten der Erbschaft, unbeschadet der Möglichkeit, über 1/3 der Erbschaft frei zu verfügen. Ausschlaggebend für dieses Wahlrecht sind neben der Regelung auch die günstigeren Steuergesetze für Erbschaftssteuerzwecke, die viele Bürger dazu veranlassen, sich für die portugiesische Erbschaftsregelung zu entscheiden. Das portugiesische Recht befreit die rechtmäßigen Erben (Ehegatten, Verwandte in aufsteigender und absteigender Linie) von der Zahlung der Stempelsteuer, was nicht in allen europäischen Ländern passiert. Zwar müssen Erben in Portugal geerbtes Vermögen angeben, aber sie müssen nichts an den Staat zahlen, um dieses Vermögen in ihre Vermögenssphäre zu übertragen. Die Vor- und Nachteile sollten immer von Fall zu Fall und von einem Anwalt analysiert werden, um das Beste aus der Nachfolgeplanung zu machen. 6 Filipa Conde Lencastre Of Counsel flencastre@adcecija.pt

März | Nr. 1 2023 ARBEITSRECHT Portugal Mobiles Arbeiten und das Recht auf Abschalten In den letzten Jahren gab es eine Entwicklung der Fernarbeit, die es vielen Menschen ermöglicht hat, ohne Einschränkungen zu arbeiten. Infolgedessen wurde das Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben unter Druck gesetzt, was die Notwendigkeit unterstreicht, das Recht auf Abschalten einzuberufen. Während der COVID-19-Pandemie wurden Privat- und Berufsleben zusammengelegt, was zu einer Verlängerung der Arbeitszeiten geführt hat. Die Fernarbeit kann über einen gewissen Zeitraum positiv auf die Produktivität auswirken, jedoch haben längere Arbeitszeiten und kontinuierliche Arbeit negative Auswirkungen auf den Arbeitnehmer, unter anderen Arbeitsstress und burn-out. Aus diesen Gründen ist die Notwendigkeit, Rechtsvorschriften über das Recht auf Abschaltung zu besprechen und umzusetzen, zu einem europäischen Schwerpunkt geworden. Obwohl es keinen europäischen rechtlichen Rahmen gibt, der das Recht auf Abschaltung direkt festlegt und regelt (nur die Richtlinie 2003/88/EG definiert die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, die zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer erforderlich sind), hat das Europäische Parlament am 21. Januar 2021 einen Entschluss zugunsten des Rechts auf Abschaltung gefasst. Die Europäische Kommission wurde darin aufgefordert, eine Richtlinie auszuarbeiten, die es allen Mitarbeitern, die digital arbeiten, ermöglicht, außerhalb der Arbeitszeit abzuschalten, und die die Arbeitsbedingungen, Arbeits- und Ruhezeiten definiert. Andererseits sind die Grundsätze 9 (Gleichgewicht von Berufs- und Privatleben) und 10 (Gesundheit, sichere Arbeitsumgebung und Datenschutz) der Europäischen Säule sozialer Rechte sowie die Richtlinie über die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben für Eltern und Betreuer (2010/18 /EU), obwohl sie sich nicht spezifisch mit dem Recht auf Abschaltung befassen, in diesem Zusammenhang ebenfalls von großer Bedeutung. In Portugal schreibt das Arbeitsgesetzbuch seit Januar 2022 vor, dass die Arbeitgeber während der Ruhezeiten keinen Kontakt zu den Arbeitnehmer aufnehmen dürfen, es sei denn, es liegt ein Fall höherer Gewalt vor. Unternehmen, die gegen diese Pflicht verstoßen, begehen eine schwere Ordnungswidrigkeit. Das Gesetz Nr. 83/2021 vom 6. Dezember befasst sich intensiver mit dem Thema und sieht vor, dass jede ungünstigere Behandlung von Arbeitnehmern, insbesondere in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und den beruflichen Aufstieg, bei der Ausübung des Rechts auf Abschaltung eine diskriminierende Maßnahme darstellt. Andererseits sieht das Gesetz nun unter bestimmten Umständen obligatorisches mobiles Arbeiten vor, z. B. für Arbeitnehmer:innen mit Kindern bis zu drei Jahren, für Arbeitnehmer:innen mit Kindern bis zu acht Jahren unter bestimmten Bedingungen und für Arbeitnehmer:innen mit dem Status eines nicht hauptberuflichen informellen Betreuers. Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, dass Arbeiternehmer, die mobil arbeiten, Anspruch auf eine Entschädigung für die zusätzlichen Kosten haben, die ihnen durch die Ausübung ihrer Tätigkeit von zu Hause aus entstehen, z. B. Strom, Gas oder Internet. In diesem Zusammenhang hat die Steuerbehörde eine Grundlage veröffentlicht, in der klar dargestellt ist, dass nur die von den Unternehmen gezahlten zusätzlichen Kosten, die durch Rechnungen belegt sind, vom Abzug befreit sind 7 Joana Carneiro Advogada und Partnerin der JPAB joana.carneiro@jpab.pt

März | Nr. 1 2023 HANDELSRECHT Portugal Die zunehmende Bedeutung von Wirtschaftskriminalität und die Relevanz der Allgemeinen Regelung zur Korruptionsprävention für den Alltag von Unternehmen - neue Vorschriften Wirtschaftskriminalität - Korruption und damit zusammenhängende Wirtschaftsdelikte wie unrechtmäßige Vorteilsnahme, Veruntreuung, wirtschaftliche Beteiligung an Unternehmen, Einflussnahme u. v. a. m. - hat in den letzten Jahren im portugiesischen (und internationalen) Rechtspanorama immer mehr an Bedeutung gewonnen. Dies gilt sowohl für die Prävention als auch für die Strafverfolgung und die Haltung, die die Gesamtheit der Akteure der Justiz dazu einnimmt. Dabei handelt es sich um ein Aushängeschild der Justiz, das kürzlich mit der „Allgemeinen Regelung zur Korruptionsprävention“ (Regime Geral da Prevenção da Corrupção, RGPC) Gestalt angenommen hat (es bleibt abzuwarten, ob es auch in die Tat umgesetzt wird…). Das Augenmerk liegt zunächst auf Prävention als ersten Schritt für ein erfolgreiches Vorgehen, d. h. auf die Verpflichtung zu unternehmensinternen Programmen zur Einhaltung der Vorschriften. Diese sogenannten Compliance-Programme im Bereich der Wirtschaftskriminalität verpflichten öffentliche und private Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern zur Annahme und Umsetzung mehrerer normativer Instrumente, darunter einen Ethik- und Verhaltenskodex, einen Risikopräventionsplan, ein internes Meldeverfahren, eine eigene Richtlinie sowie die Schulung der Mitarbeiter zu diesen Themen. Natürlich ist dieses politische Interesse angesichts einer hochkomplexen, verdeckten und oft schwer zu beweisenden Kriminalität (und der daraus resultierenden Dunkelziffer), die die Säulen des Rechtsstaates untergräbt und die Gesundheit der Volkswirtschaft gefährdet, absolut gerechtfertigt und dringlich. Es ist davon auszugehen, dass die zunehmende Berichterstattung in den Medien über Rechtsprechung im Bereich der Wirtschaft (die bedeutendsten Mega-Verfahren der letzten Jahre betrafen Wirtschaftskriminalität und die strafrechtliche Verfolgung von Situationen, die noch vor wenigen Jahren als unantastbar gegolten hätten) zu einem stärkeren individuellen und kollektiven Bewusstsein für Transparenz und Rigorosität beigetragen hat: Transparenz im Berufsleben, wenn es um Pflichten geht, und Rigorosität als Bürger bei unseren Ansprüchen. 8 Catarina Veiga Ribeiro Of Counsel catarina.ribeiro@mirand alawfirm.com. (Siehe Fortsetzung auf der nächsten Seite)

März | Nr. 1 2023 HANDELSRECHT Portugal Die zunehmende Bedeutung von Wirtschaftskriminalität und die Relevanz der Allgemeinen Regelung zur Korruptionsprävention für den Alltag von Unternehmen - neue Vorschriften(Forts.) Aus diesem Grund drängt ab Juni die Zeit! Denn die Allgemeine Regelung zur Korruptionsprävention schreibt vor, dass Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern mit den bereits erwähnten Instrumenten zur Einhaltung der Normen ausgestattet sein müssen. Bei Verstoß ist mit hohen Geldstrafen des „Nationalen Antikorruptionsmechanismus“ (Mecanismo Nacional Anticorrupção, MENAC) zu rechnen. Allerdings gibt es auch eine gute Nachricht, die man sich stets vor Augen halten sollte: Ein gutes Compliance-Programm, das angemessen ist und zugeschnitten auf das jeweilige Unternehmen und seine geschäftlichen Merkmale und besonderen Notwendigkeiten (inklusive einer Analyse seiner Beziehungen zu den Personen, mit denen es in Kontakt steht, wie Zielpublikum, Kunden, Lieferanten oder Stakeholder), und ein strukturiertes internes Risikokontrollsystem beinhaltet, kann ein Unternehmen entlasten, wenn der Verdacht auf strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Delikte besteht und die Unternehmensleitung zur Verantwortung gezogen werden soll. 9 Catarina Veiga Ribeiro Of Council catarina.ribeiro@mirand alawfirm.com.

März | Nr. 1 2023 HANDELSRECHT Portugal Der Ausschluss von indirekten und immateriellen Schäden in Haftpflichtklauseln Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit müssen alle Unternehmen Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen aushandeln. Der Hauptzweck dieser Verträge besteht darin, jeder der Vertragsparteien eine bestimmte Rolle zuzuweisen, indem die Aufgaben verteilt und die Verantwortlichkeiten der Parteien definiert werden. Für den Dienstleistungsempfänger sollten diese Verträge vorzugsweise vorsehen, dass die beauftragten Dienstleister uneingeschränkt für alle Schäden haftet, die sich aus der Verletzung ihere vertraglichen und gesetzlichen Pflichten ergeben. Vorausschauende Dienstleister schlagen jedoch in der Regel vor, ihre Haftung auf Schäden zu beschränken, die eine direkte und unmittelbare Folge des Verstoßes sind, in Geldmitteln bewertet werden können und eine Entwertung des Vermögens des Begünstigten zur Folge haben. Ausgeschlossen werden soll so die Entschädigung für entgangenen Gewinn (z. B. infolge der Vereitelung von Geschäften), für nichtgeldwerte Schäden (z. B. Schäden an der körperlichen oder moralischen Unversehrtheit), für Schäden, die nur eine Folge des unmittelbar verursachten Schadens sind, und für Schäden, die Dritte erleiden. Die Unterzeichnung von Verträgen, die die Haftung von Dienstleistern begrenzen, entspricht einer Risikoübernahme durch das Unternehmen, weshalb die Relevanz und Angemessenheit der übernommenen Risiken bewertet werden sollte. Wenn die Risiken nicht akzeptabel sind, welche Strategien können Unternehmen anwenden, um ihre Interessen angemessen zu schützen? Erstens sollten sie darauf achten, dass die allgemeine Regel lautet, dass der Auftragnehmer für alle Schäden haftet, und dass es dem Auftragnehmer obliegt, anzugeben, welche Schäden er ausschließen möchte und - im Falle eines Verstoßes - von welchen Verpflichtungen er sie ausschließen möchte. Die Parteien können dann die Angemessenheit der einzelnen vorgeschlagenen Ausschlüsse erörtern. Wenn der Dienstleister als allgemeine Regel den Ausschluss dieser Arten von Schäden verlangt, sollte die Aufnahme von Ausnahmen von dieser Einschränkung vorgeschlagen werden. In diesem Fall sollte es die Aufgabe des Auftraggebers sein, anzugeben, welche Arten von Schäden gedeckt werden sollen. Normalerweise würde man versuchen, Schäden zu decken, die bestimmte Personen (z. B. Arbeitnehmer oder Kunden) erlitten haben, oder Schäden, die sich aus der Nichteinhaltung der grundlegendsten Pflichten ergeben (d. h. gesetzliche Pflichten oder solche, deren Verletzung einen noch größeren Schaden verursachen könnte). In jedem Fall ist es für die Gegenpartei schwierig, die volle Haftung für Schäden abzulehnen, die auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten zurückzuführen sind. 10 Rodrigo Rocha Andrade Partner, Gastprofessor an der Faculdade de Direito da Universidade do Porto, Forscher des CIJE r.andrade@telles.pt Diogo Damião Senior Partner, Head of German Desk d.damiao@telles.pt (Siehe Fortsetzung auf der nächsten Seite)

März | Nr. 1 2023 HANDELSRECHT Portugal Der Ausschluss von indirekten und immateriellen Schäden in Haftpflichtklauseln(Forts.) Andererseits könnte man versuchen, die Haftung für die ausgeschlossenen Schadenstypen bis zu einem bestimmten Betrag (z.B. Haftung für immaterielle Gewinne bis zu einem Wert von 1.000 €) oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. Haftung für Geschäfte, die in den folgenden 20 Tagen getätigt werden) vorzusehen. Schließlich kann auch ein Versicherungsvertrag aufgesetzt werden, der Schäden abdeckt, die nicht vom Auftraggeber gedeckt oder getragen werden, wobei allerdings zu klären ist, wer die damit verbundenen Kosten trägt. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass alle Maßnahmen unter Berücksichtigung der Verhandlungsstärke der Parteien, der bestehenden Beziehungen, des aktuellen Stands der Verhandlungen und des Maßes an Komplexität, das in den betreffenden Vertrag aufgenommen werden kann, in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Unserer Erfahrung nach ist es für ein Unternehmen einfacher, die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, wenn es verhältnismäßig und fair agiert. 11 Rodrigo Rocha Andrade Partner (TELLES), Gastassistent der Faculdade de Direito da Universidade do Porto, Forscher des CIJE r.andrade@telles.pt Diogo Damião Senior Partner, Head of German Desk TELLES d.damiao@telles.pt

März | Nr. 1 2023 12 UMWELTRECHT Portugal Vereinfachung des Umweltschutzes: das Motto für die Förderung von Projekten und Investitionen in Portugal Am 10. Februar wurde die Verordnung Nr. 11/2023 (Decreto-Lei n.º 11/2023) veröffentlicht, mit der die Genehmigungsverfahren im Umweltbereich reformiert und vereinfacht werden und die daneben Maßnahmen vorsieht, die sich auf die Abläufe der gesamten Verwaltung beziehen. Das Motto der Verordnung ist klar: Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit durch Optimierung und Abschaffung von Verfahren, Rechtsvorschriften und Auflagen, die unnötig und veraltet sind und die die Umsetzung von Projekten und in- und ausländische Investitionen im Lande verzögern und behindern, angefangen im Umweltbereich. In diesem Sinne sieht die Verordnung bedeutende Änderungen verschiedener gesetzlicher Regelungen zum Umweltschutz vor, die am 1. März 2023 in Kraft treten sollen und die sich insbesondere auf die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die Vermeidung und integrierte Kontrolle von Umweltverschmutzung und die Nutzung von Wasserressourcen beziehen. Zu den Maßnahmen gehören: (i) allgemeine Reduzierung der Anzahl von Projekten, die der UVP unterliegen; (ii) Vereinfachung der Verfahren in Bezug auf Aspekte, die bereits in der UVP untersucht wurden, in bestimmten Situationen; (iii) Änderung der Bestimmungen zur Übertragung von Nutzungsrechten an Wasserressourcen (die im Laufe der Zeit mehrfach diskutiert wurde); (iv) Abschaffung der Verpflichtung zur Erneuerung der Umweltgenehmigung sowie Befreiung von der Genehmigungspflicht in bestimmten Situationen. Bei den Maßnahmen, die die Abläufe der gesamten Verwaltung betreffen, sind folgende hervorzuheben: (i) Einrichtung eines kostenfreien und zügigen Verfahrens zur Bescheinigung stillschweigender Genehmigungen; für dieses Verfahren soll eine dritte Stelle zuständig sein und es soll dadurch Privatpersonen ermöglicht werden, ihre Rechtsinhaberschaft nachzuweisen, wodurch wiederum Misstrauen und Unsicherheit in Fällen beseitigt werden, in denen der Gesetzgeber dem Schweigen der Verwaltung einen positiven Wert beimisst; (ii) Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Allgemeinen, und zwar durch (a) die Pflicht zur Abgabe einer befürwortenden Stellungnahme in den Fällen, in denen eine zwingend vorgeschriebene Stellungnahme nicht ausdrücklich innerhalb der gesetzlichen Frist abgegeben wird; (b) das Verbot der Abgabe von Stellungnahmen nach Fristablauf; (c) die Einschränkung der Möglichkeit der Verwaltung, Entscheidungsfristen auszusetzen. In Anbetracht der für die Umsetzung einiger dieser Maßnahmen erforderlichen Anpassungen werden die entsprechenden Folgen erst ab dem 1. Januar 2024 eintreten. Die Vereinfachung der Verwaltung und die damit einhergehende Förderung von Projekten und Investitionen in Portugal ist also das neue Motto... und das soll nur der Anfang sein. Die Regierung hat bereits angekündigt, dass die Vereinfachung in anderen Bereichen fortgesetzt wird, und das nächste Ziel steht bereits fest: die Vereinfachung von Genehmigungen und Verfahren in den Bereichen Raumordnung und Industrie, Handel und Dienstleistungen sowie Landwirtschaft. Rui Ribeiro Lima Advogado Sénior rrlima@mlgts.pt Inês Vieira Associate ivieira@mlgts.pt

März | Nr. 1 2023 COMPLIANCE Portugal Verarbeitung personenbezogener Daten sorgt bei vielen Unternehmen für Verunsicherung - Der besondere Fall der Einwilligung Bei vielen Unternehmen herrscht Verunsicherung bei der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von personenbezogener Daten („Daten“). Dies gilt sowohl für das Personalmanagement als auch für den Umgang mit Kundendaten. Die Verarbeitung muss im Rahmen einer der in Artikel 6 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 (DSGVO) vorgesehenen Situationen erfolgen. Die Einwilligung ist die wichtigste Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der Daten und als einzige in der EU-Grundrechtecharta niedergelegt. Aufgrund ihrer Bedeutung für geschäftliche Beziehungen wird diese Grundlage im Folgenden analysiert. Die Einwilligung ist definiert als „jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist“ (DSGVO). Die vier wesentliche Merkmale der Einwilligung sind: i) Freiwillig – die Willensbekundung darf nicht aus einem klaren Ungleichgewicht folgen (z.B. Beziehung zu einer Behörde oder im Beschäftigungskontext); sie darf nicht an die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, geknüpft sein (z.B.: eine Bank erhebt Kontoführungsgebühren für Girokonten, deren Inhaber ihre Einwilligung zur Verarbeitung ihrer Daten zu Marketingzwecken nicht erteilen); es muss sich um eine Einzelfallverarbeitung handeln, d.h., wenn die Verarbeitung zu verschiedenen Zwecken erfolgt, muss die betroffene Person in der Lage sein, jeden Verarbeitungsvorgang und jeden Verarbeitungszweck gesondert zu prüfen und ihre Einwilligung zu erteilen; die betroffene Person muss in der Lage sein, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden. ii) Für den bestimmten Fall – die Ersuchen um Einwilligung müssen entsprechend ihrem Zweck formuliert werden, wobei die Informationen, die diese bedürfen, klar von den übrigen Informationen abzugrenzen sind. iii) In informierter Weise – die Entscheidung der betroffenen Person muss auf notwendigen Mindestangaben beruhen (z.B. die Identität des Verantwortlichen für die Verarbeitung, die Art der Daten, der Zweck jedes Verarbeitungsvorgangs und das Recht die Einwilligung zurückzuziehen). 13 Duarte Antunes Preto Advogado Associado duarte.preto@rbms.pt (Siehe Fortsetzung auf der nächsten Seite)

März | Nr. 1 2023 COMPLIANCE Portugal Verarbeitung personenbezogener Daten sorgt bei vielen Unternehmen für Verunsicherung - Der besondere Fall der Einwilligung(Forts.) iv) Unmissverständlich – die betroffene Person muss sich ihrer Einwilligung zu der Verarbeitung bewusst sein; es gibt Fälle (besondere Kategorien von Daten), in denen eine ausdrückliche Einwilligung durch schriftlicher Erklärung, durch Ausfüllen elektronischen Formulars oder durch Versenden einer E-Mail erforderlich ist; Stillschweigen, bereits angekreuzte Kästchen oder Untätigkeit stellen keine Einwilligung dar. Das Unternehmen muss nachweisen können, dass es alle formellen und materiellen Anforderungen bezüglich der Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit seiner Verarbeitung der Daten erfüllt. Bei Nichterfüllung können hohe Bußgelder und zivilrechtliche Schadenersatzansprüche die Folge sein. 14 Duarte Antunes Preto Advogado Associado duarte.preto@rbms.pt

März | Nr. 1 2023 KURZNACHRICHTEN Deutschland Empfehlung statt Verpflichtung – vorzeitiges Enden der Corona Arbeitsschutzverordnung Gut zwei Monate früher als geplant wurde die Corona-Arbeitsschutzverordnung zum 2. Februar 2023 aufgehoben. Grund hierfür sind neben den sinkenden Infektionszahlen auch der mildere Verlauf einer solchen. An die Stelle der Verordnung treten Empfehlungen des Bundesarbeitsministeriums, die Arbeitgeber zum Schutz ihrer Beschäftigten anwenden können, auch zum Schutz vor anderen Krankheiten, beispielsweise der Grippe. In Einrichtungen der medizinischen Versorgung und Pflege sind allerdings weiterhin Corona-spezifische Regelungen des Infektionsschutzgesetzes zu beachten. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Bundesregierung. Neue Förderrichtlinien für klimafreundlichen Neubau Durch günstigere Kredite fördert die Bundesregierung seit dem 1. März 2023 den Bau besonders klimafreundlicher Gebäude, womit der CO2-Ausstoß im Gebäudebereich verringert wird und damit die deutschen Klimaziele besser erreicht werden können. Das aus dem Klima-und Transformationsfonds stammende Fördervolumen beträgt 750 Millionen Euro jährlich. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Bundesregierung. Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtline Nach dem Einwegkunststoff-Fondsgesetz sollen Hersteller in Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtline für bestimmte Kosten der Reinigung und Entsorgung von Kunststoff enthaltenden Einwegprodukten zur Verantwortung gezogen werden. Die Höhe der Abgabe in den – noch nicht eingerichteten – Fonds, bemisst sich nach der in Verkehr gebrachten Art und Menge von Einwegkunststoffprodukten. Jährliche Einnahmen werden auf bis zu 450 Millionen Euro geschätzt, womit die Kosten u.a. für Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung und der Reinigung des öffentlichen Raums gedeckt werden sollen. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Bundesregierung. 15

März | Nr. 1 2023 14 Disclaimer Die AHK Portugal haftet nicht für den Inhalt der Beiträge und/oder der Webseiten, die mit den Links verbunden sind. Datenschutz Die Daten und Beiträge, die in diesem Dokument aufgeführt sind, haben ausschließlich den Zweck, den Adressaten zu informieren. Die Daten werden elektronisch verwaltet gemäß den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung und dem portugiesischen Gesetz Nr. 58/2019 (portugiesisches Ausführungsgesetz zur Datenschutz-Grundverordnung). Falls der Adressat das Zusenden des Newsletters nicht erwünscht und/oder seine Daten aus der Datenbank der AHK Portugal gelöscht haben möchte, so bitten wir, uns dies über die auf unser Internetseite angegebene E-Mail-Adresse mitzuteilen. Ausgabe AHK Portugal Avenida da Liberdade 38/2 1269-039 Lisboa Abteilung Recht & Steuern Caroline Cöster Domingues (Leiterin) caroline-domingues@ccila-portugal.com Tel: +351 213 211 207 Allgemeiner Kontakt Tel: +351 213 211 200 Fax: +351 213 467 150 infolisboa@ccila-portugal.com www.ccila-portugal.com

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