Recht & Steuern Newsletter

April | Nr. 2 2023

Lufthansa Ground Services Portugal

April | Nr. 2 2023 INHALTSVERZEICHNIS GESELLSCHAFTSRECHT 5 | Portugal: Corporate Sustainability Reporting Richtlinie: neue EU-Vorschriften für Großunternehmen und KMUs ERBRECHT 6 | Portugal: Grenzen der internationalen Zuständigkeit eingeführt durch die Verordnung (EU) 650/2012 MARKEN- UND PATENTRECHT 8 | Portugal: Die Erfindung der Erfindung STEUERRECHT 10 | Portugal: Steuersitz und Einkommen - Doppelbesteuerungsabkommen auf internationaler Ebene 12 | Portugal: MwSt. in der Stadtsanierung HANDELSRECHT 13 | Portugal: Hinweise zur jährlichen Feststellung des Jahresabschlusses 14 | Portugal: Was sind eigentlich Incoterms? ÖFFENTLICHES RECHT 16 | Portugal: Neuerungen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe COMPLIANCE 18 | Portugal: Die neuen Verpflichtungen für Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeitern - Die allgemeine Regelung zur Korruptionsprävention und die Einrichtung interner Meldekanäle 20 | Deutschland: Brauchen alle Unternehmen bald einen Menschenrechtsbeauftragten? 3

April | Nr. 2 2023 ÍNDICE CORPORATE GOVERNANCE 21 | Deutschland: Haftung für irreführende Werbung eines Affiliate–Partners INSOLVENZRECHT 22 | Deutschland: Einige Grundzüge des Insolvenzverfahrens KURZNACHRICHTEN 23 | Deutschland: Modernisierung des Planungs- und Genehmigungsverfahrens „Fit für 55“ Bundeskanzler Scholz trifft Premierminister Costa in Lissabon 4

April | Nr. 2 2023 GESELLSCHAFTSRECHT Portugal Corporate Sustainability Reporting Richtlinie: neue EUVorschriften für Großunternehmen und KMUs Im Rahmen des Europäischen Green Deals und der Agenda für Nachhaltiges Finanzwesen der Europäischen Union ist die Richtlinie 2022/2464 über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz "CSRD") in Kraft getreten. Die CSRD zielt darauf ab, einen öffentlichen und transparenten Zugang zu verlässlichen Daten über Nachhaltigkeitsinformationen zu schaffen und verschiedene Stakeholder vor GreenwashingPraktiken zu schützen. Die durch die CSRD erhöhte Transparenz und Vertrauen sind die nötige Entwicklung, um europäische Unternehmen, den Markt und europäischen Verbraucher in die erste Reihe der ESGPolitik zu stellen. Die CSRD wird voraussichtlich insgesamt 50.000 europäische und außereuropäische Unternehmen erfassen. Die Umsetzung der CSRD in nationales Recht muss erst noch stattfinden, und die Unternehmen, die unter die CSRD zu erst fallen, müssen die neuen Berichtsregeln im Jahr 2025 in Bezug für das Jahresbericht 2024 beachten. Die betroffenen Unternehmen sind u.a.: 1. Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen; 2. Große Unternehmen, die zwei der folgenden Anforderungen erfüllen: Bilanzsumme von 20 Millionen Euro, Nettoumsatz von 40 Millionen Euro oder eine durchschnittliche Mitarbeiterzahl von mindesten 250. Unternehmen, die unter die CSRD fallen, müssen Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen veröffentlichen, beispielsweise Informationen zum Verständnis und zur Messung der Auswirkungen ihrer aktuellen und zukünftigen ESG-Politik. Diese Nachhaltigkeitsinformationen müssen in den Geschäftsbericht der Unternehmen aufgenommen werden, in elektronischer Form veröffentlicht und von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder Zertifizierer überprüft werden. Die CSRD ist somit ein wichtiger Ausdruck des Engagements der Mitgliedstaaten für Transparenz und Verbesserung der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, die hiermit mit der Finanzberichterstattung gleichgestellt wird. Diese neuen Regelungen setzen die europäischen Unternehmen unter einen größeren Druck, nicht nur bei ihrer eigenen Geschäftstätigkeit, sondern auch bei der Wahl ihrer Stakeholder mehr nachhaltige Entscheidungen zu treffen und damit den wachsenden Trend der Verbraucher und Investoren zum Kauf von mehr nachhaltigen Waren, Dienstleistungen und Investments zu begleiten. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 5. Juli 2024 Zeit, die CSRD in nationales Recht umzusetzen, wodurch Änderungen des Handelsgesetzbuchs und des Arbeitsgesetzbuchs zu erwarten sind. 5 Diogo Pessanha Professional Partner diogo.pessanha@abreu advogados.com Benedita Pessanha Senior Associate Lawyer Benedita.pessanha@abreu advogados.com

April | Nr. 2 2023 ERBRECHT Portugal Grenzen der internationalen Zuständigkeit eingeführt durch die Verordnung (EU) 650/2012 Der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 führte die Harmonisierung zielt darauf ab, dem Gerichtshof die internationale Zuständigkeit für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen sowie für die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen und für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses zu übertragen. Trotz gibt es noch andere Rechtsfragen, die durch den Tod einer Person aufgeworfen werden können und deren sachliche Zuständigkeit anhand verschiedener Anknüpfungspunkte zu prüfen ist, Bsp: •Ort der Belegenheit des Vermögens, •Ort der Erfüllung der Verpflichtung, •Ort des Schadenseintritts, •Wohnsitz des Beklagten und •Wille der Parteien. Fragen nach der Übertragbarkeit von Schadensersatzansprüchen, auch durch Vererbung, oder andere Fragen der deliktischen Haftung oder der ungerechtfertigten Bereicherung oder auch gesellschaftsrechtliche Fragen und Beschränkungen oder Auflagen u.a. im Zusammenhang mit Beteiligungen oder dem Gesellschaftsrecht werden nicht durch die Verordnung (EU) 650/2012, sondern durch die Verordnung (EU) 1215/2012, Art. 7, harmonisiert. In Bezug auf Handlungen, die vor dem Tod des Erblassers vorgenommen wurden, nämlich die Abhebung von Beträgen, die auf einem Bankkonto mit Wohnsitz in Portugal eingezahlt wurden, ist daher zu prüfen, ob die Handlungen vor oder nach dem Erbfall vorgenommen wurden. Wurden solche Handlungen vor dem Erbfall vorgenommen, gilt Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012. Zuständig ist der Ort, an dem die Handlung vorgenommen wurde - beispielsweise der Ort, an dem die Banktransaktion durchgeführt wurde - und wenn die Handlung vor dem Erbfall vorgenommen wurde, gilt Artikel 7, Absatz 2. Wurde die Handlung nach dem Erbfall vorgenommen, gilt die durch die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 eingeführte Harmonisierung, die die Anwendung des Rechts ermöglicht, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (wo er zum Zeitpunkt des Todes eine enge und dauerhafte Verbindung hatte), oder das in seinem Testament ausdrücklich bestimmte Recht, wie im Urteil des Berufungsgerichts Lissabon vom 09.02.2023 klargestellt wurde. 6 Filipa Conde Lencastre Of Councel flencastre@adcecija.pt (Siehe Fortsetzung auf der nächsten Seite)

April | Nr. 2 2023 ERBRECHT Portugal Grenzen der internationalen Zuständigkeit eingeführt durch die Verordnung (EU) 650/2012(Forts.) Es gibt immer mehr Menschen, die aus beruflichen oder persönlichen Gründen ihren Wohnsitz aus verschiedenen Gründen wechseln, sogar je nach Jahreszeit, und dabei eine enge Beziehung zu verschiedenen Ländern aufrechterhalten. Insbesondere in diesen Fällen wird die Nachfolgeplanung und die Bestimmung für die Regelung der Erbfolge zuständigen Staates immer dringlicher, um langwierige internationale Streitigkeiten darüber zu vermeiden, welches Recht für die Erbfolge tatsächlich zuständig ist, und auch um die Erben zu schützen, die sich möglicherweise in verschiedenen Ländern aufhalten. Auch wenn diese Frage geklärt ist, müssen die Erben das Erbschaftsverfahren in Bezug auf die Herkunft der einzelnen Vermögenswerte einhalten, d. h. bei Finanzanlagen, Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen und anderen, indem sie die Bescheinigungen und Beteiligungen beim Staat beantragen, unabhängig davon, ob sie steuerfrei sind oder nicht, bis der Akt der Übertragung der Vermögenswerte auf die Erben abgeschlossen ist. 7 Filipa Conde Lencastre Of Councel flencastre@adcecija.pt

April | Nr. 2 2023 MARKEN- UND PATENTRECHT Portugal Die Erfindung der Erfindung Erfindung. Gemäβ Priberam-Wörterbuch ist diese eine weibliche Bezeichnung und bedeutet die Handlung, Wirkung oder Fähigkeit des Erfindens. Erfinden ist ein transitives Verb (könnte nur) besteht aus dem "Ideieren" oder dem Schaffen in Gedanken. Dies ist eine kurze und sehr schöne Definition, obwohl es den Begriff nicht vollständig erfasst. Es gibt eine zweite, bildliche Bedeutung: Lüge, Schwindel oder, mit ein wenig mehr Würde, der Bereich der Rhetorik, der die Suche nach den Mitteln lehrt, um zu gefallen und zu überzeugen (noch gemäβ Priberam). Mit anderen Worten: Erfinden kann auch Vortäuschen bedeuten. “Das hast du erfunden…!”. Diese zweite Definition gilt nicht nur auf Portugiesisch, sondern auch für die Deutschen und Italiener, um nur einige zu nennen. Es ist etwas ungerecht, dass die beiden Bedeutungen coexistieren, sowohl für die, die erfinden, als auch für die, die erfinden. Es scheint, die betrügerische Erfindung wolle sich selbst als die andere ausgeben. Gemäβ Larousse-Wörterbuch bedeutet erfinden, "Neues zu entdecken, Neues zu schaffen, an das noch niemand gedacht hat, das noch niemand getan hat". Das Beharren auf verschiedene Arten zu erfinden, wird der Arbeit des Erfinders eher gerecht. Um so über den Erfindungsaufwand zu sprechen und über die Belohnung, welche dieser haben kann. Der Aufwand ist immer groβ. Wie diese alte Geschichte, in der jemand einen Spezialisten engagiert, der kommt, an einer Schraube dreht und eine saftige Rechnung schreibt. Es war nicht schwierig zu lösen, schwierig war es zu wissen, wie man es löst, und das erforderte Studie und Vorbereitung. Das Wort "Entdeckung" wurde in der Definition des Begriffs "Erfindung" verwendet, der in einem weiten Sinne als Entdeckung verstanden wird. Aber förmlich sind es unterschiedliche Dinge. Michael Faraday entdeckte anhand eines Experiments (das er erfunden hat), wie es zu einer Wechselwirkung zwischen Elektrizität und Magnetismus kam. Es war eine groβe Entdeckung, aber nur durch ein Modell, hat er eine Lösung mit enormem revolutionärem Potenzial erfunden. Die Erfindung hat so eine Beziehung zur Praxis und zum Nutzen, die über die Entdeckung hinausgeht. Durch die Entdeckung wurde das Funktionsprinzip erreicht, aber nur die Erfindung setzt sie in die Praxis um. Je nützlicher, desto besser für den Erfinder, vor allem, wenn erfinden eine besondere Tätigkeit ist, die als entscheidendes Element für ein Geschäft zu entwickeln. 8 Rui Gomes Europäischer Patentanwalt und Vertreter für gewerbliches Eigentum info@jpcruz.pt (Siehe Fortsetzung auf der nächsten Seite)

April | Nr. 2 2023 MARKEN- UND PATENTRECHT Portugal Die Erfindung der Erfindung(Forts.) Im XV Jh. in der Republik Venedig, bemerkte man, dass Erfinden der Gesellschaft nützlich war. Nach dem festgelegten Kodex war es für den Staat von Vorteil, wenn Erfinder neue Lösungen in seinen Bereich einbrachten. Ziel war es, einen Anreiz zu schaffen, für die, die innovierenten, denn, obwohl die Kontrolle über die Innovation 10 Jahre lang ausschließlich beim Erfinder lagen, die Gesellschaft von etwas profitieren könnte, auf das sie andernfalls, keinen Zugang hätte. Die Belohnung war also direkt, durch die Verwertung, indirekt, da der Erfinder eine Lizenz erteilen konnte, an wen er wollte (wahrscheinlich gegen Bezahlung), und rufschädigend, da eine gute Erfindung demjenigen, der sie gemacht hatte, sicherlich Prestige einbrachte. Diese Grundsätze gelten heute noch und werden immer mehr in Gedanken und in der Praxis umgesetzt. 9 Rui Gomes Europäischer Patentanwalt und Vertreter für gewerbliches Eigentum info@jpcruz.pt

April | Nr. 2 2023 STEUERRECHT Portugal Steuersitz und Einkommen - Doppelbesteuerungsabkommen auf internationaler Ebene Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf internationaler Ebene sind in der Regel bilateral, d.h. sie werden von je zwei Ländern geschlossen. So hat Portugal etwa mit Deutschland, mit Belgien oder auch mit Frankreich ein Abkommen mit solchen Besonderheiten geschlossen (siehe Link, Deutschland Seite 1, Belgien Seite 1 und 2, Frankreich Seite 4). Die DBA mit Belgien bzw. Frankreich haben im Laufe der Zeit Änderungen erfahren (Seite 2 und 4). Mit ihnen soll einerseits verhindert werden, dass ein und dasselbe Einkommen doppelt besteuert wird, und andererseits soll einer Steuervermeidung, also dass ein und dasselbe Einkommen in keinem der beiden Länder versteuert wird, zuvorgekommen werden. DBA können sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen gelten, und in ihnen wird festgelegt, ob es sich um Einkünfte aus dem einen oder aus dem anderen Land handelt und um welche Art von Einkünften. Nicht selten treten solche Situationen, die zu einer Doppelbesteuerung führen können, auf, wenn etwa ein Bürger seinen Steuersitz in einem Land hat, aber nicht nur Einkünfte aus diesem sondern auch aus anderen Ländern erhält oder wenn ein Unternehmen eine Betriebsstätte in einem anderen Land unterhält. In der Regel will das Land, in dem die Privatperson/das Unternehmen steuerlich ansässig ist, deren gesamtes Einkommen besteuern, unabhängig von dem Staat, aus dem dieses stammt. Wenn ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung finden soll, dann gilt es, zunächst den Steuersitz des Bürgers bzw. Unternehmens zu bestimmen. In Portugal gilt als steuerlich ansässig, wer sich dort in einem bestimmten Kalenderjahr mehr als 183 aufeinanderfolgende oder auch nicht zusammenhängende Tage aufhält bzw. wer über eine Wohnstätte mit Voraussetzungen verfügt, die darauf schließen lassen, dass er die Absicht hegt, diese als ständigen Wohnsitz zu halten und zu nutzen. Der letztgenannte Fall umfasst den Kauf einer Immobilie als eigenen ständigen Wohnsitz oder auch einen Mietvertrag, der von einem Mieter für seinen Hauptwohnsitz abgeschlossen wurde; so gilt erst einmal, dass ein Bürger - unabhängig von der Tatsache, die zu dieser Situation geführt hat - als im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässig betrachtet wird, sobald eine portugiesische Adresse als Steuerdomizil im zentralen Steuerpflichtigenregister in Portugal angegeben wurde. 10 Marco Lacomblez Leitão Advogado mll@mlladvogados.com (Siehe Fortsetzung auf der nächsten Seite)

April | Nr. 2 2023 STEUERRECHT Portugal https://mlladvogad os.com/English.php Steuersitz und Einkommen - Doppelbesteuerungsabkommen auf internationaler Ebene (Forts.) Was wiederum Unternehmen angeht, so gelten diejenigen, die ihren Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Portugal haben, als im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässig. Nun kann es vorkommen, dass eine bestimmte Gesellschaft ihren Hauptsitz im Ausland aber ihre tatsächliche Geschäftsführung in Portugal hat, d. h. die jeweiligen Verwaltungsorgane / oberen Entscheidungsund Gesamtleitungsorgane befinden sich in Portugal und treffen dort zentral die Entscheidungen; in einem solchen Fall kann es als in Portugal ansässig betrachtet werden. Schließlich kann es vorkommen, dass beide Länder der Auffassung sind, dass dieselbe Privatperson/ Gesellschaft in ihrem jeweiligen Land ansässig ist. Hierfür gibt das Abkommen dann die Regeln vor, die ihren tatsächlichen Sitz definieren (siehe Artikel 4 Nr. 2 und Nr. 3 des DBA Portugal/Deutschland, des DBA Portugal/Belgien und des DBA Portugal/Frankreich unter dem oben genannten Link). 11 Marco Lacomblez Leitão Advogado mll@mlladvogados.com

April | Nr. 2 2023 STEUERRECHT Portugal MwSt. in der Stadtsanierung Das "Mehr-Wohnungs-Paket" wurde im Ministerrat verabschiedet, um finanziellen Nachhaltigkeit beizutragen, indem ein neuer steuerlicher Anreiz zuerkennt wird, um das Angebot an erschwinglichen Miet-Wohnungen zu verstärken. Was die Mehrwertsteuer anbelangt, so wird eine reduzierte Gebühr von 6 % auf den Bau oder die Sanierung von preisgünstigen Wohnungen, von Wohnungen mit kontrollierten Kosten oder von Wohnungen zu erschwinglichen Mieten angewandt, gemäß den Bedingungen, die in einer Verordnung des Regierungsmitglieds, das für das Wohnungswesen zuständig ist, festgelegt werden (Punkt 2.18 des CIVA )1. Als Voraussetzung, mindestens 70% oder die Gesamtheit der Immobil im Falle eines totalen Eigentums oder autonomes Grundstück, soll für einen der oben genannten Zwecke bestimmt sein, und die Verträge müssen vom Institut für Wohnung und Stadtsanierung oder, wenn sie in der Autonomen Region Madeira oder der Autonomen Region der Azoren gefördert werden, von Investimentos Habitacionais da Madeira, EPERAM bzw. der Regionalen Wohnungsbaudirektion der Azoren, zertifiziert sein. Klausel 2.23 des CIVA wird ebenfalls verändert, die nun eine Gebühr von 6 % für Bauarbeiten der Sanierung von Gebäuden, die in der Fläche der Stadtsanierungsgebiet oder im Rahmen von Requalifizierungs - und Sanierungsmaßnahmen von anerkanntem nationalem öffentlichem Interesse befinden (Bauarbeiten, die im öffentlichen Raum ausgeführt werden, fallen nicht mehr unter diese Regelung). Das juristische Regime der Stadtsanierung (Gesetzesdekret Nr. 307/2009 vom 23.10.) definiert "Stadtsanierungsgebiete" als territorial abgegrenztes Gebiet, das aufgrund der Unterschreitung, des Verfalls oder der Veralterung von Gebäuden, Infrastrukturen, Ausrüstungen für den kollektiven Gebrauch und städtischen und grünen Räumen für den kollektiven Gebrauch, insbesondere in Bezug auf die Nutzungsbedingungen, die Widerstandsfähigkeit , die Sicherheit, die Ästhetik oder die Sauberkeit, eine integrierte Intervention rechtfertigt. Da es sich um ein öffentliches Interesse des Staates handelt, werden diese Gebiete von den Gemeinden durch eigene Abgrenzung in einem eigenen Werkzeug oder Plan der Stadtsanierung bezeichnet. Die für die Anwendung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes erforderlichen Verfahren mangeln an Regelung, was in Zukunft durch die Erörterung und Verabschieden des Diploms vom portugiesischen Parlament geschehen soll. 1 Portugiesisches Gesetzbuch der Mehrwertsteuer 12 Vitor Oliveira Trainee lawyer vitor.oliveira@roedl.com Leonor Xavier Lawyer / Head of Tax leonor.xavier@roedl .com

April | Nr. 2 2023 HANDELSRECHT Portugal Hinweise zur jährlichen Feststellung des Jahresabschlusses Die jährliche Feststellung des Jahresabschlusses hat innerhalb von 3 Monaten nach Ende des Geschäftsjahres zu erfolgen oder innerhalb von 5 Monaten, sofern das Unternehmen (i) einen konsolidierten Abschluss vorlegen muss oder (ii) die Equity-Methode anwendet. Das Verfahren zur Feststellung des Jahresabschlusses beginnt mit der Erstellung der Bilanz, des Finanzberichts und dessen Anhangs, einschließlich „der Art und des Geschäftszwecks der nicht in der Bilanz ausgewiesenen Operationen und ihrer finanziellen Auswirkungen“ sowie der Angabe der in dem betreffenden Geschäftsjahr vom Wirtschaftsprüfer (oder der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft), von Steuerberatern und anderen Dienstleistern (z. B. Rechtsanwälten) in Rechnung gestellten Honorare. Zu erstellen sind daneben: (i) der Lagebericht (Kleinstunternehmen ausgenommen), (ii) der Bericht über Struktur und Praktiken der Unternehmensführung (als gesonderter Bericht oder in den Lagebericht integriert) und (iii) bei Aktiengesellschaften ein Anhang zum Geschäftsbericht mit Angaben zum Aktienbesitz der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats. Bis spätestens 30 Tage vor der Jahreshauptversammlung muss das Leitungsorgan dem Aufsichtsorgan (sofern gegeben) die Rechnungslegungsdokumente zur Beurteilung vorlegen, welches daraufhin wiederum 15 Tage Zeit zur Erstellung eines Berichts, einer Stellungnahme und eines Bestätigungsvermerks hat. Bei Aktiengesellschaften muss der Vorstand im Anschluss den Vorsitzenden der Hauptversammlung zu deren Einberufung auffordern. Im Falle einer Veröffentlichung oder einer gleichwertigen Mitteilung muss dies einen Monat bzw. bei Zusendung per Einschreiben oder EMail 21 Tage im Voraus erfolgen, es sei denn, in der Satzung ist eine andere Frist vorgesehen. Sämtliche Unterlagen sind den Gesellschaftern mindestens 15 Tage vor dem Datum der Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen. Die Geschäftsführer müssen ihrerseits die Gesellschafter direkt zur Hauptversammlung einladen. Werden diese Unterlagen nicht innerhalb von 2 Monaten nach Ablauf der Frist (d. h. 5 Monate nach Ende des Geschäftsjahres) vorgelegt, steht es einem jeden Gesellschafter frei, bei Gericht einen Antrag auf Untersuchung zu stellen. Wenn der Geschäftsführer bzw. Vorstand diese Unterlagen nicht bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist bei den zuständigen Gesellschaftsorganen einreicht, kann dies mit einer Geldstrafe von 50 bis 1.500 EUR geahndet werden. Nach Feststellung des Jahresabschlusses und innerhalb von 6 Monaten nach Ende des Geschäftsjahres muss dann die vereinfachte Unternehmensinformation (Informação Empresarial Simplificada, IES) für das entsprechende Geschäftsjahr eingereicht werden. Ein Verstoß gegen diese Formalitäten kann dazu führen, dass (i) die Gesellschaft bestimmte Eintragungen im Handelsregister nicht vornehmen darf, (ii) der Vorstand der Gesellschaft aufgelöst wird (wenn in zwei aufeinander folgenden Jahren die IES nicht vorgelegt wurde) und (iii) jede betroffene Partei einen Insolvenzantrag stellen kann (bei einem Verzug von mehr als neun Monaten). Im Falle einer Insolvenz kann ein solcher Verstoß auch die Grundlage für die Vermutung eines schweren Verschuldens des Leitungsorgans bilden. 13 Maria João Mata Partner maria.mata@miranda lawfirm.com. João Bento Cardoso Associate joao.cardoso@miranda lawfirm.com.

April | Nr. 2 2023 HANDELSRECHT Portugal Was sind eigentlich Incoterms? Die sog. international commercial terms (oder einfach Incoterms) sind kleine Modelle für vertragliche Beziehungen, die als Regelwerk geschaffen wurden, um die Aushandlung internationaler Beziehungen für den Kauf und Verkauf von Waren zu vereinfachen. Ursprünglich 1923 von der Internationalen Handelskammer entworfen und 1936 veröffentlicht, stellt jeder Incoterm eine Reihe von vorher festgelegten Vertragsbedingungen dar, die es dem Käufer und dem Verkäufer erleichtern, (i) ihre Hauptverpflichtungen in Bezug auf Transport und Lieferung von internationalen Waren, (ii) die Hauptkosten, die bei der Erfüllung des Vertrags anfallen, (iii) die Risiken, die mit dem Verlust von Waren während des Transports verbunden sind, und (iv) die Art des Transports der Waren zu bestimmen. Jedes dieser Vertragsmodelle hat ein aus drei Buchstaben bestehendes Akronym, wie z. B. die Incoterms FCA (Free Carrier), FOB (Free on Board) oder CIF (Cost Insurance and Freight). Dank ihrer Anwendung in Verhandlungen sind die Parteien schnell in der Lage, zu erkennen, über welches Geschäft des Kaufs und Verkaufs von Waren sie verhandeln. So können die Parteien beispielsweise während der Verhandlung absehen, dass die Verwendung des Incoterm EXW (Ex Works oder Ex-Warehouse) für den Käufer besonders belastend ist und den Verkäufer entlastet, wobei dieser die Ware dem Käufer nur zur Verfügung stellt, sie jedoch nicht auf das vom Käufer gewählte Transportmittel laden muss. Im umgekehrten Fall, wenn die Parteien die Verwendung des Incoterm DDP (Duty Paid) in Erwägung ziehen, wissen sie, dass der Verkäufer verpflichtet ist, die Ware zu transportieren, die Aus- und Einfuhr abzuwickeln und an den vom Käufer gewählten Bestimmungsort zu liefern. Werden dagegen die Incoterms FAS (Free Alongside Ship), FOB, CFR (Cost and Freight) oder CIF gewählt, so ist bekannt, dass es sich um einen Fluss- oder Seetransport handelt, während alle weitere Incoterms unabhängig von der Art des Transports verwendet werden können. Die Parteien sollten jedoch beachten, dass die Incoterms die Aushandlung und den Abschluss von Kaufverträgen nicht vollständig ersetzen. Auch wenn die Incoterms bereits einen großen Teil des Vertragsinhalts festlegen können, erschöpft die Wahl der Incoterms für einen Warenkauf nicht alle von den Parteien zu vereinbarenden Punkte. So müssen die Parteien z.B. noch (i) die vom Vertrag erfassten Waren, ihre wesentlichen Merkmale und die Regelung ihrer Mängel, (ii) den Preis, die Zahlungsweise und die damit verbundenen Garantien, (iii) die mit dem Kauf verbundenen Zusatzoder Hilfsleistungen (wie z. B. Montage oder Schulung), (iv) das anwendbare Recht (besonders wichtig, um die Folgen und Reaktionsformen bei Vertragsbruch und die Regeln für den Eigentumsübergang zu kennen) oder (v) die Form der Streitbeilegung festlegen. Darüber hinaus können die Parteien sogar auf einen Incoterm verweisen und selbst einen Teil ihres Inhalts ändern. Dies sollte jedoch mit besonderer Sorgfalt und in vollem Kostenbewusstsein erfolgen. 14 Rodrigo Rocha Andrade Associate, Dozent an der juristischen Fakultät der Universität Porto, Forscher am CIJE r.andrade@telles.pt Diogo Damião Managing Associate, Leiter German Desk d.damiao@telles.pt (Siehe Fortsetzung auf der nächsten Seite)

April | Nr. 2 2023 HANDELSRECHT Portugal Was sind eigentlich Incoterms? (Forts.) In einem Markt, der als unwiderruflich globalisiert gilt, wird die Verwendung von Incoterms und anderen ähnlichen Instrumenten immer wichtiger werden. Es ist daher unerlässlich, dass alle Unternehmen die Verwendung von Incoterms in Betracht ziehen und beurteilen können, welche Incoterms für ihre Marktaktivität, ihre Unternehmensgröße und ihre Mittel am besten geeignet sind. 15 Rodrigo Rocha Andrade Associate, Dozent an der juristischen Fakultät der Universität Porto, Forscher am CIJE r.andrade@telles.pt Diogo Damião Managing Associate, Leiter German Desk d.damiao@telles.pt

April | Nr. 2 2023 16 ÖFFENTLICHES RECHT Portugal Neuerungen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe Am vergangenen 7. November wurde das Gesetzesdekret Nr. 78/2022 veröffentlicht, mit dem das Gesetz Nr. 30/2021 vom 21. Mai (Sondermaßnahmen der öffentlichen Auftragsvergabe), das portugiesische Vergabegesetzbuch und das Gesetzesdekret Nr. 60/2018 vom 3. August (Vereinfachung der Verwaltungsverfahren zur Verfolgung von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten) geändert wurden. Im Bereich der Sondermaßnahmen der öffentlichen Auftragsvergabe sind die folgenden Neuerungen hervorzuheben: • Es wird eine Sonderregelung bezüglich die Beauftragung für Bauplanung und Bau geschaffen, die es dem Auftraggeber ermöglicht, die Ausarbeitung des Ausführungsprojekts als Aspekt der Auftragsausführung vorzusehen. • Die Gültigkeit der Sondermaßnahmen wird in den Bereichen (i) Wohnungswesen und Dezentralisierung, (ii) Informations- und Wissenstechnologien, (iii) Gesundheits- und Sozialwesen und (iv) im Rahmen des Programms zur wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung bis zum 31. Dezember 2026 verlängert. • Der Versand der auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 30/2021 geschlossenen Verträge an das Instituto dos Mercados Públicos, do Imobiliário e da Construção, I. P. [portugiesisches Institut für öffentliche Märkte, Immobilien und Bauwesen] über den im Portal der öffentlichen Aufträge zu erstellenden Bereich wird verpflichtend vorgeschrieben, andernfalls gelten die Verträge als unwirksam. Unter den verschiedenen Änderungen des Vergabegesetzbuches sind folgende hervorzuheben: • Es wurden Änderungen im Bereich der materiellen Kriterien für Direktvergaben eingeführt; • Es wurde die Anforderung ergänzt, dass bei den Aufträgen kein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, damit der Auftraggeber die Eigenschaft als Bieter oder Kandidat Unternehmen mit Sitz und effektiver Aktivität in dem Gebiet der interkommunalen Einrichtung vorbehalten kann, in dem sich der Auftraggeber befindet, und zwar bei bestimmten Verfahren, die durch interkommunale Einrichtungen, Gemeindeverbände, Kommunalbehörden oder kommunale Unternehmen gefördert werden; • Es wurde die gesetzliche Vorschrift geändert, die die Situationen vorsieht, in denen die Bewertungskommission von den Kandidaten und Bietern die Behebung formaler Unregelmäßigkeiten zu verlangen hat; José Azevedo Moreira Managing Associate jamoreira@mlgts.pt (Siehe Fortsetzung auf der nächsten Seite)

April | Nr. 2 2023 17 ÖFFENTLICHES RECHT Portugal Neuerungen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe (Forts.) • Es wurde festgelegt, dass die Nichtbehebung formaler Unregelmäßigkeiten der Bewerbungen oder Angebote innerhalb der dafür vorgesehenen Frist eine schwere Ordnungswidrigkeit darstellt; • Es wurden Änderungen der Definition von„zusätzliche Arbeiten” und bei der Festlegung der Fälle eingeführt, in denen auf diese zurückgegriffen werden kann; • Es wurde ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, dass der Auftraggeber verlangen kann, dass die Angebote einen Dokument beinhalten, das die Kostenstruktur der zur Auftragsausführung notwendigen Arbeit aufzeigt, insbesondere wenn diese Arbeit Sektoren betrifft, in denen die Fixkosten der Arbeit bei der Preisbildung entscheidend sind. Das Gesetzesdekret Nr. 78/2022 ist am 2. Dezember 2022 in Kraft getreten. José Azevedo Moreira Managing Associate jamoreira@mlgts.pt

April | Nr. 2 2023 COMPLIANCE Portugal Die neuen Verpflichtungen für Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeitern - Die allgemeine Regelung zur Korruptionsprävention und die Einrichtung interner Meldekanäle Im Rahmen der Nationalen Anti-Korruptions-Strategie 2020-2024 sind die juristische Personen, unter anderem, Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeitern (mittlere und große Unternehmen), verpflichtet, bestimmte Verfahren zur Korruptionsprävention einzuführen. Es handelt sich um die Allgemeine Regelung zur Korruptionsprävention (RGPC - Gesetzesdekret Nr. 109-E/2021) welcher diese juristischen Personen nun dazu verpflichtet ein Compliance-Programm für diese Rechtsvorschrift anzunehmen, das mindestens Folgendes einschließt: (i) einen Plan zur Prävention von Korruptionsrisiken und damit verbundenen Verstößen (PPR); (ii) einen Verhaltenskodex; (iii) ein Schulungsprogramm; (iv) einen Meldekanal. Die Umsetzung eines Verhaltenskodex und die Bereitstellung von Schulungsprogrammen sind für viele dieser Unternehmen nicht neu. Die Einrichtung des PPR und der internen Meldekanäle sind die neuen großen Herausforderungen für diese juristischen Personen. Aus diesem Grund erscheint es uns wichtig, kurz auf ihre Merkmale und Besonderheiten einzugehen. Der PPR muss die Identifizierung, Analyse und Klassifizierung der Risiken und Situationen ermöglichen, die das Unternehmen Korruptionshandlungen und damit verbundenen Verstößen aussetzen können, sowie die Festlegung von Präventiv- und Korrekturmaßnahmen zur Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens und der Auswirkungen der identifizierten Risiken und Situationen. Ein wichtiger Hinweis bezüglich des PPR ist, dass Unternehmen in einem Konzernverhältnis einen einzigen PPR annehmen und umsetzen können. Die internen Meldekanäle (geregelt durch das Gesetz Nr. 93/2021 – Allgemeine Regelung zum Schutz von Hinweisgebern, RGPDI) müssen die sichere Einreichung und Weiterverfolgung von Meldungen ermöglichen und die Vertraulichkeit der Identität oder Anonymität der Hinweisgeber sowie die Vertraulichkeit der Identität der in der Meldung genannten Dritten gewährleisten. Außerdem müssen die Kanäle intern für die Entgegennahme und Weiterverfolgung von Hinweise durch benannte Personen oder Dienststellen oder extern für die Entgegennahme von Meldungen betrieben werden. 18 Carlota Maia Ferraz Associate carlota.ferraz@rbms.pt José Ricardo Gonçalves Partner josericardo.goncalves @rbms.pt (Siehe Fortsetzung auf der nächsten Seite)

April | Nr. 2 2023 COMPLIANCE Portugal Die neuen Verpflichtungen für Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeitern - Die allgemeine Regelung zur Korruptionsprävention und die Einrichtung interner Meldekanäle (Forts.) Es ist auch wichtig darauf hinzuweisen, dass private juristische Personen die Ressourcen für die Entgegennahme von Hinweise und deren Weiterverfolgung gemeinsam nutzen können, und diese Regel gilt, mit den notwendigen Anpassungen, für Zweigniederlassungen im Inland von juristischen Personen mit Hauptsitz im Ausland. Es ist auch zu beachten, dass die Nichteinhaltung dieser neuen Anforderungen zur Verhängung von Geldbußen führen kann, wobei die RGPC diese bis zu 44.891,81 EUR und die RGPDI bis zu 250.000 EUR vorsieht. Abschließend ist anzumerken, dass die RGPDI am 18.06.2022 und die RGPC am 07.06.2022 in Kraft getreten sind, wobei beim letzter die Sanktionsregelung erst am 07.06.2023 in Kraft tritt, außer im Falle von Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten, bei denen sie erst ab 07.06.2024 in Kraft treten wird. 19 Carlota Maia Ferraz Associate carlota.ferraz@rbms.pt José Ricardo Gonçalves Partner josericardo.goncalves @rbms.pt

April | Nr. 2 2023 COMPLIANCE Deutschland Brauchen alle Unternehmen bald einen Menschenrechtsbeauftragten? Ab 1. Januar 2023 tritt das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) schrittweise für eine Reihe von großen Unternehmen in Kraft. In weiten Teilen der Wirtschaft, insbesondere der Ernährungsindustrie und ihren Zulieferern, löst es angesichts der Marktstrukturen auch für kleine und mittlere Unternehmen Anpassungsdruck aus. Angezeigt ist indes nicht Aktionismus, sondern Augenmaß. Im Rahmen dieses und folgender Beiträge wird auf Aspekte des LkSG eingegangen, die für portugiesische Geschäftspartner deutscher Unternehmen von besonderem Interesse sind. Das LkSG verpflichtet deutsche Unternehmen aller Branchen, Menschenrechte und bestimmte Umweltschutzbelange in der eigenen Lieferkette weltweit zu sichern. Unternehmen mit mehr als 3.000 (2023) bzw. 1.000 (2024) Mitarbeitern müssen dafür bestimmte Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten etablieren. Zentrale Bedeutung kommt der Risikoanalyse zu. Daraus abgeleitete Erkenntnisse müssen die betroffenen Unternehmen im eigenen Geschäftsbereich (z.B. im Einkauf) aber auch gegenüber den unmittelbaren und ggf. mittelbaren Zulieferern zum Anlass für Präventions- und Abhilfemaßnahmen nehmen. Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen den betroffenen Unternehmen Bußgelder. Zwar betrifft das LkSG wenige Unternehmen unmittelbar, die mittelbaren Auswirkungen erfassen aber die gesamte Wertschöpfungskette, insbesondere über die nun vielfach neu gefassten Einkaufsbedingungen des Handels, Qualitätssicherungsvereinbarungen zur menschenrechtlichen Compliance oder Lieferantenkodizes. Für Lieferanten, insbesondere auf Tier 1, wird die Etablierung eigener menschenrechtlicher Compliance-Prozesse unumgänglich sein, um mit den eigenen Produkten im Handel gelistet zu bleiben. Hierzu werden Kunden in regelmäßigen Abständen Selbstauskünfte und die Vorlage entsprechender Zertifikate verlangen. Es erfordert Augenmaß und Kenntnis der gesetzlichen Zusammenhänge, um sich nicht im Dickicht unterschiedlichster Kundenanforderungen zu verlieren. Jedenfalls wird es wird für Lieferanten notwendig sein, die eigenen Vorlieferanten nach menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken zu analysieren und entsprechende Maßnahmen aus gefundenen Erkenntnissen abzuleiten. Die Bestellung eines entsprechend versierten und geschulten Menschenrechtsbeauftragten für diese Themenfelder bietet sich an. 20 Dr. Stephan Schäfer Fachanwalt für Handelsund Gesellschaftsrecht, Head of Portuguese Desk schaefer@zenk.com

April | Nr. 2 2023 CORPORATE GOVERNANCE Deutschland Haftung für irreführende Werbung eines Affiliate –Partners Das höchste deutsche Gericht in Zivilsachen hat entschieden, dass der Betreiber eines AffiliateProgramms –hier Amazon–nicht für irreführende Werbung eines Affiliate–Partners haftet, wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt –und Dienstleistungsangebotes tätig geworden ist. Im Falle eines Verkaufs über die o.g. Plattform erhält der Affiliate eine Provision, nachdem er durch einen Link in seinem eigenen Prospekt auf diese verwiesen hat. Macht sich der Affiliate in seiner Produkt - Bewerbung im Zusammenhang mit dem Link einer Wettbewerbswidrigkeit schuldig, folgt daraus noch keine Haftung des Plattformbetreibers nach§8 Abs. 2 UWG. Voraussetzung hierfür wäre, dass im vorliegenden Fall die Geschäftstätigkeit eines Beauftragten in einer dem Betriebsinhaber – hier Amazon – zugute kommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebes und eine gewisse Beherrschung des Risikos durch letzteren zurechenbar wäre. Das ist aber offensichtlich hier nicht der Fall. Denn die objektiv irreführende Werbung über den Affiliate – Link ist ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und in eigenem Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren. Zusammenfassend ist für die vorliegende Fallkonstellation festzuhalten: Es liegt keine Erweiterung des Geschäftsbetriebes des Affiliate – Programm – Betreibers (hier Amazon) vor. Es ist keine Beherrschung des Risiko-Bereichs durch den Betreiber hinsichtlich der Aktivitäten des Affiliates gegeben. Der Affiliate wird bei Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags oder einer Vereinbarung tätig, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts, zu dem die Werbung über seinen Link gehört, und allein in eigenem Namen und Interesse tätig. Das hier referierte Urteil ist logisch nachvollziehbar, erschwert allerdings betroffenen Unternehmen den rechtlichen Schutz, wenn sie nach Rechtsverletzungen durch Gestaltung einer Affiliate – Seite gegen den Inhaber der Seite selbst vorgehen wollen, dann nämlich, wenn z. B. die Angaben im Impressum der Seiten falsch sind, oder der vermeintlich Verantwortliche nicht im europäischen Ausland sitzt. 21 Sönke Friedl Rechtsanwalt friedl.hr-law@gmx.de

April | Nr. 2 2023 INSOLVENZRECHT Deutschland Einige Grundzüge des Insolvenzverfahrens Nach der Insolvenzordnung dient ein Insolvenzverfahren dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich und gleichmäßig zu befriedigen. Zu diesem Zweck wird entweder das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt, oder in einem Insolvenzplan eine andere Regelung getroffen, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens. Es gilt grundsätzlich das Prinzip der Gleichbehandlung aller Gläubiger. Ein Insolvenzverfahren kann über das Vermögen jeder natürlichen oder juristischen Person, mithin auch Kapitalgesellschaften, eröffnet werden. Dabei sind stets ein Insolvenzantrag und das Vorliegen eines Insolvenzgrundes erforderlich. Der Antrag kann von jedem Gläubiger oder vom Schuldner selbst gestellt werden. Beim Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und deren Forderungen beizufügen; bei einer aktiven Firma sollen die Forderungen in bestimmten Kategorien kenntlich gemacht werden. Besonders wichtig und zu beachten ist die Antragspflicht bei Kapitalgesellschaften: wird ein solches Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet, haben ihre gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer, Vorstände, u.a.) ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Insolvenzantrag zu stellen. Andernfalls haften die gesetzlichen Vertreter persönlich, ggf. auch strafrechtlich. Es wird daher dringend geraten, bei Eintritt von ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten umgehend die Lage des Unternehmens zu überprüfen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um zu versuchen, mit den Gläubigern Lösungen zur Vermeidung einer Insolvenz zu finden, oder dann einen ordnungs- und fristgemäßen Insolvenzantrag zu stellen. Das Gesetz sieht drei Gründe zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor, wobei die Zahlungsunfähigkeit den allgemeinen Eröffnungsgrund darstellt. Ein Schuldner gilt als zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen; dies ist in der Regel anzunehmen, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat. Bei dem Antrag des Schuldners ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund. Im Fall von juristischen Personen wie Kapitalgesellschaften stellt auch die Überschuldung einen Eröffnungsgrund dar. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners seine bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und die Fortführung des Unternehmens nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Das Gericht weist den Antrag ab, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreicht, die Verfahrenskosten zu decken. Aber auch wenn zunächst genügend Masse zur Eröffnung des Verfahrens vorhanden ist, kann sie um Laufe des Verfahrens nicht ausreichen, um den ungesicherten Gläubigern letztlich eine noch so geringe Quote zu erteilen. Aufgrund der hohen Risiken eines Insolvenzverfahrens ist es Gläubigern anzuraten, sofort die ersten, ernsthaften Anzeichen eines Zahlungsverzugs vorzugehen und nur gegen Vorkasse neue Leistungen zu erbringen. 22 Maria de Fátima Veiga Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht mail@veiga-law.com

April | Nr. 2 2023 KURZNACHRICHTEN Deutschland Modernisierung des Planungs- und Genehmigungsverfahrens Durch Änderungen des Raumordnungsgesetzes, des Energiewirtschaftsgesetzes und des Gesetzes zur Umweltverträglichkeitsprüfung, sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und zugleich erleichtert werden. Dies gilt insbesondere für Infrastrukturprojekte beim Windkraftausbau, den Industrieanlagen und bei Zugstrecken. Hierzu kündigte die Bundesbauministerin Geywitz an, die Verfahren digitalisieren, Doppelprüfungen abschaffen und Genehmigungen beschleunigen zu wollen. Für Genehmigungsverfahren im Bereich Wind-an-Land sollen auf diesem Wege künftig bis zu einem Jahr an Verfahrensdauer eingespart werden. Ein Teil der Novelle gilt bereits seit dem 29. März 2023 und weitere Änderungen treten ab dem 28. September 2023 in Kraft. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Bundesregierung. „Fit für 55“ Die EU kommt ihrem Ziel, bis 2030 die CO2-Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 senken zu wollen, immer näher. Die EU-Mitgliedsstaaten haben einer Reihe von Gesetzen zugestimmt, um den European Green Deal zu realisieren. Neben Reformen des EU- Emissionshandelssystems, der Einrichtung eines Klimasozialfonds von 80 Milliarden Euro und einem neuen CO2-Grenzausgleichssystem soll ab 2027 insbesondere ein Emissionshandelssystem auch für Verkehr und Gebäude in Kraft treten, sowie die Regelungen in der Luft- und Schifffahrt verschärft werden. Damit rückt die EU näher an das Fernziel, bis 2050 klimaneutral werden zu wollen. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Bundesregierung. Bundeskanzler Scholz trifft Premierminister Costa in Lissabon Am Mittwoch, den 19. April 2023, trat der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz eine zweitägige Portugal-Reise an, bei der es unter anderem zu einem Treffen mit dem portugiesischen Premierminister António Costa kam und das Zentrum für digitale Entwicklung der Volkswagen-Gruppe besucht wurde. In dem Gespräch zwischen Scholz und Costa wurde besonders über die enge Zusammenarbeit im Hinblick auf die Invasion Russlands, die (erneuerbare) Energiepolitik der beiden Länder, sowie über die bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Portugal gesprochen. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Bundesregierung. 23

April | Nr. 2 2023 14 Disclaimer Die AHK Portugal haftet nicht für den Inhalt der Beiträge und/oder der Webseiten, die mit den Links verbunden sind. Datenschutz Die Daten und Beiträge, die in diesem Dokument aufgeführt sind, haben ausschließlich den Zweck, den Adressaten zu informieren. Die Daten werden elektronisch verwaltet gemäß den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung und dem portugiesischen Gesetz Nr. 58/2019 (portugiesisches Ausführungsgesetz zur Datenschutz-Grundverordnung). Falls der Adressat das Zusenden des Newsletters nicht erwünscht und/oder seine Daten aus der Datenbank der AHK Portugal gelöscht haben möchte, so bitten wir, uns dies über die auf unser Internetseite angegebene E-Mail-Adresse mitzuteilen. Ausgabe AHK Portugal Avenida da Liberdade 38/2 1269-039 Lisboa Abteilung Recht & Steuern Caroline Cöster Domingues (Leiterin) caroline-domingues@ccila-portugal.com Tel: +351 213 211 207 Allgemeiner Kontakt Tel: +351 213 211 200 Fax: +351 213 467 150 infolisboa@ccila-portugal.com www.ccila-portugal.com

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